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Storchen-Drama in Karoxbostel

Störchin „Frieda“, die mit dem besenderten Storch „Michael“ in ihrem Nest in „Doras Garten“ an der Wassermühle Karoxbostel gerade erst vier Eier ausgebrütet hatte, ist offenbar tot.

Die Störchin hatte zuletzt am Donnerstag, 23. Mai, gegen 11 Uhr in dem Nest gelegen, um ihre frisch geschlüpften Küken zu wärmen. Das Storchennest in „Doras Garten“ wird von einer Webcam gefilmt. Aufnahmen der Webcam zeigen, wie „Michael“ seine Partnerin ablöst und „Frieda“ zur Nahrungssuche davonfliegt. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen konnte: Die Störchin, die 2019 als Nestling in Berendshagen (Mecklenburg-Vorpommern) an beiden Beinen beringt wurde und die mit „Michael“ 2023 in Karoxbostel erfolgreich zwei Jungstörche aufgezogen hatte, sollte nie mehr zurückkehren.

 

„Am Donnerstagvormittag hatten wir uns noch sehr darüber gefreut, dass aus allen vier Eiern Küken geschlüpft waren“, sagt die Vorsitzende des Vereins Wassermühle Karoxbostel, Emily Weede. Aufmerksame Naturfreunde hätten dann jedoch am nächsten Tag festgestellt, dass „Frieda“ außergewöhnlich lange nicht mehr am Nest war und „Michael“ bei der Brutpflege allein ließ.
„Wir haben uns Sorgen gemacht und deshalb am Freitagmittag den zuständigen Weißstorchbetreuer Frieder Günther benachrichtigt und gemeinsam entschieden, dass wir die Storchenküken am Sonnabend aus dem Nest holen werden. Ein Storch allein kann es nicht schaffen, die Jungen zu versorgen und zu wärmen“, berichtet Emily Weede. Zudem hatte Frieder Günther zuvor von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg die Nachricht erhalten, dass an der Autobahn am Maschener Kreuz ein toter Storch entdeckt worden sei. „Wir wissen noch nicht sicher, ob es unsere Störchin ist, aber weil ‚Frieda‘ nicht zurückgekommen ist, müssen wir leider davon ausgehen, dass sie nicht mehr lebt“, sagt Emily Weede. Sie sei sehr dankbar, dass Kim Koppermann, Chef einer Firma für Garten- und Landschaftsbau in Meckelfeld, sich sofort bereit erklärt habe, die Küken mit einem Hubsteiger aus dem Nest zu holen.

Noch bevor die geplante Rettungsaktion am Sonnabendvormittag starten konnte, verließ Storch „Michael“ in der Dunkelheit das Nest. Die vier Küken blieben allein zurück und waren dem Nieselregen, der in den frühen Morgenstunden einsetzte, nun schutzlos ausgeliefert. Einige Mühlenfreunde, die das Storchendrama am frühen Morgen über die Webcam verfolgt hatten, waren der Meinung, dass alle vier Jungen verendet seien.
Tatsächlich lagen die Küken völlig regungslos im Nest. Doch als Hamburgs Storchenvater Jürgen Pelch und Kim Koppermann gemeinsam im Korb des Hubsteigers zum Nest hinauffuhren, fanden sie darin neben zwei bereits verendeten Küken auch zwei lebende, die allerdings völlig erschöpft waren. Von unten beobachteten der Weißstorchbetreuer Jürgen Bozek aus Stelle und sein Vorgänger Hans Steinert mit einigen Aktiven des Mühlenvereins, wie Jürgen Pelch die beiden lebenden und die zwei toten Küken behutsam aus dem Nest nahm und in einem Karton sicher zum Boden brachte. In dem mit Stroh und einem Handtuch ausgepolsterten Karton trug der Hamburger Storchenvater die beiden lebenden Küken in das ehemalige Stallgebäude der Mühle, wo die wenige Tage alten Störche zunächst unter einer Rotlichtlampe gewärmt wurden.
Unterdessen waren Aktive des Mühlenvereins ausgeschwärmt, um Regenwürmer als Futter für die total erschöpften Küken zu sammeln. Tatsächlich gaben Küken nach einiger Zeit erste Piepslaute von sich, hoben die Köpfchen und versuchten, einige der Würmer zu schnappen. „Es hat ein bisschen gedauert, aber schließlich haben sie doch gefressen und auch getrunken“, berichtet Storchen-Experte Hans Steinert, der die ganze Zeit über bei den Küken blieb.

Nachdem Jürgen Bozek, Hans Steinert und Jürgen Pelch die Transportfähigkeit der Storchenküken festgestellt hatten, brachte Jürgen Pelch sie auf eine Wärmflasche gebettet mit seinem Auto nach Bergedorf. Der Hamburger Storchenvater hat eine Genehmigung zur Aufzucht von Störchen und schon Dutzende Küken großgezogen. Im vergangenen Jahr hatte er mit seiner Familie in einem künstlichen Nest in seinem Garten sieben Küken aufgepäppelt, die alle zu erwachsenen Störchen geworden sind. Gleich nach seiner Ankunft in Bergedorf fütterte Jürgen Pelch die Küken aus Karoxbostel und schickte ein Video davon an die Mühlenretter. „Die Jungen haben mit sichtlich großem Appetit gefressen und sie wirkten wieder erstaunlich munter“, sagt Emily Weede. Alle zwei Stunden braucht der Storchennachwuchs Futter, „bis zu einem Kilogramm pro Tag, wenn sie größer werden“, erklärt Jürgen Pelch. Wenn die Jungen in ein paar Wochen kräftig genug sind, will er sie in ein Storchennest umsiedeln, wo dann die Altstörche das Füttern übernehmen. „Dann werden sie mit den anderen Jungstörchen im Spätsommer in die Überwinterungsquartiere ziehen und wenn sie in ein paar Jahren geschlechtsreif sind, kehren sie hierher in ihre Brutgebiete zurück“, sagt der Storchenvater.

Emily Weede und die Mühlenfreunde in Karoxbostel hoffen, dass Mühlenstorch „Michael“ im nächsten Jahr zu seinem Horst in Doras Garten zurückkehrt und eine neue Partnerin findet mit der er dann erfolgreich Junge großzieht. „Natürlich sind wir alle sehr traurig über den Tod von „Frieda“ und der beiden Küken, aber wenigstens haben wir mit der Hilfe von Kim Koppermann und der NABU-Expertren noch zwei Junge lebend retten können. Alle drücken die Daumen, dass die Kleinen es in der Obhut von Storchenvater Jürgen Pelch schaffen werden“, sagt die Mühlenvereinsvorsitzende Emily Weede. „Bisher sieht es sehr gut aus – ich bin recht zuversichtlich, dass die Jungen durchkommen“, sagt Jürgen Pelch.